In unserem Darm haust eine gigantische Mikroorganismen-WG zur Untermiete. Man nennt sie auch Darmflora oder Mikrobiom. Schon länger ist bekannt, dass eine gesunde Darmflora die Verdauung reguliert. Doch unsere Mitbewohner haben möglicherweise noch viel mehr Einfluss auf unser Wohlbefinden. Lesen Sie, warum die Mikroorganismen im Darm sogar unser Körpergewicht und unsere Stimmung steuern könnten – und wie Sie Ihre Darmflora langfristig gesund erhalten.

Gesunde Darmflora © George Rudy/Shutterstock.com

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Darm als Schnittstelle unserer Gesundheit

Bei wichtigen Entscheidungen hören wir auf unser „Bauchgefühl“. Schlechte Nachrichten müssen wir erst „verdauen“. Und während einige Menschen bei Konflikten „Gift und Galle spucken“, haben andere in brenzligen Situationen „die Hosen gestrichen voll“.

Es hat seinen Grund, warum sich so viele Redewendungen auf unsere Verdauungsfunktionen beziehen. Ganz intuitiv ist offenbar vielen Menschen klar, dass Verdauung und Wohlbefinden aufs Engste zusammenhängen. Warum das so ist, das beginnt die Wissenschaft erst nach und nach zu entdecken. Eine Schlüsselrolle dürfte dabei unsere Darmflora spielen.

Darmflora: Was genau versteht man darunter?

Die Darmflora ist eine Welt für sich: Geschätzte 100 Billionen Kleinstlebewesen (Mikroorganismen) tummeln sich in unserem Darm, das ist eine Zahl mit 15 Nullen! Darunter befinden sich zahlreiche verschiedene Bakterienarten und einige Pilzen, Viren und Urzeitmikroben. Gemeinsam bringen diese Winzlinge ein Gewicht von rund 1,5 bis 2 Kilogramm auf die Waage. Welche Arten wir genau in unserem Darm beherbergen, ist höchst individuell, fast wie unser Fingerabdruck.

Gesunde Darmflora – gesunder Mensch

Fest steht, dass es „gute“ und „schlechte“ Mitbewohner gibt. Die guten Gesellen packen bei der Verdauung fleissig mit an. Sie helfen beispielsweise, Pflanzenfasern aufzuspalten, die wir mit unseren körpereigenen Enzymen nur schwer verdauen könnten. Manche von ihnen produzieren als „Nebenprodukt“ Vitamin K, andere machen lebensnotwendige Fettsäuren für den Körper verfügbar.

Bestimmte Einflüsse wie Stress, ungesunde oder einseitige Ernährung, Alkohol, Reisen oder Medikamente können das empfindliche Gleichgewicht unserer Mikroben-WG stören. Vor allem Antibiotika sorgen für einen Kahlschlag im Darm, denn sie vernichten neben Krankheitserregern leider auch nützliche Mikroorganismen. Das bemerken wir häufig an Nebenwirkungen wie Durchfall, Verstopfung oder Blähungen.

Gerät die Darmflora langfristig aus dem Takt, dann werden solche unangenehmen Beschwerden zu Dauerbegleitern. Und: Neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge kann eine gestörte Darmflora sogar noch wesentlich dramatischere Folgen haben!

Wenn Mikroorganismen für Hüftgold sorgen

Es ist ein bekanntes Phänomen: Manche Menschen können scheinbar essen, was sie wollen, ohne zuzunehmen, während sich bei anderen schon kleine Sünden auf die Hüften schlagen. Neben „schlechten Genen“ könnte es dafür einen weiteren Schuldigen geben: eine übereifrige Darmflora. Bestimmte Mikroorganismen im Darm spalten Nahrungsbestandteile offenbar besonders effizient auf und füttern so ihren Wirt mit Extra-Kalorien. Das hat sich übrigens auch im Tierversuch bestätigt: Bekommen Labormäuse Darmkeime von übergewichtigen Menschen verabreicht, dann werden sie bei gleichbleibender Ernährung selbst viel leichter übergewichtig.

Manche Forscher vermuten sogar, dass die „Moppelbakterien“ im Darm den Appetit ihres Gastgebers steuern könnten. Signalstoffe der Mikroorganismen wandern ins Gehirn und bewirken dort unwiderstehliche Gelüste auf Schokoriegel oder Pizza – so die These, handfeste Beweise dafür stehen noch aus.

Gesunde Darmflora schützt vor Allergien und Entzündungen

Rund 70 bis 80 Prozent unserer körpereigenen Abwehrzellen sitzen im Darm. Dass sie es sich ausgerechnet dort gemütlich machen, hat einen speziellen Grund: Nirgendwo anders in unserem Körper ist die Dichte an Mikroorganismen so hoch wie in unserem Darm. Unsere Immunzellen werden daher im Darm „trainiert“, um zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.

Das kann nämlich ganz schön knifflig sein: Beispielsweise befinden sich auf der Oberfläche von Mikroorganismen manchmal Strukturen, die denen auf harmlosen Pollenkörnern ähneln. Was zu einer fatalen Verwechslung führen kann: Unser Immunsystem hält die Pollenkörner für Krankheitserreger und greift sie an – dann leiden wir unter einer Allergie. Forscher vermuten, dass eine gesunde Darmflora einem „verwirrten“ Immunsystem vorbeugt und damit vor Allergien schützt.

Offenbar können auch chronische Entzündungen mit einer gestörten Darmflora zu tun haben. Bestimmte Mikroorganismen schwächen die normale Barriere-Funktion der Darmschleimhaut und machen sie durchlässiger für Krankheitskeime oder bestimmte Stoffwechselprodukte. Darauf reagiert der Körper mit einer Entzündungsreaktion, was zu Darmkrankheiten wie Morbus Crohn oder zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen kann. Der beste Schutz davor ist eine gesunde Darmflora. Sie sorgt dafür, dass für die „schlechten“ Keime einfach kein Platz mehr ist.

Darmflora macht Stimmung

Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse legen nahe, dass selbst psychische Verstimmungen, Ängste und Depressionen mit der Darmflora in Zusammenhang stehen. Denn über die sogenannte Darm-Hirn-Achse können Darmflora und Gehirn miteinander kommunizieren.

Eine verblüffende Tatsache ist, dass Mikroorganismen und Gehirn über eine „gemeinsame Sprache“ verfügen: Das sind bestimmte Signalstoffe wie Serotonin oder Dopamin, die unser Körper an sich selbst produziert. Doch auch Darmbakterien können diese Substanzen herstellen. Gelangen sie über die Blutbahn ins Gehirn, dann entfalten sie dort eine ähnliche Wirkung wie die körpereigenen Signalstoffe. Auf diese Weise könnte unsere Mikroben-WG im Darm sogar unsere Stimmung beeinflussen.

Das können Sie selbst für eine gesunde Darmflora tun

Die gute Nachricht ist: Auf die Zusammensetzung Ihrer Darmflora können Sie durchaus Einfluss nehmen! Eine gesunde Darmflora fördern sie durch:

  • eine ballaststoffreiche, zuckerarme Ernährung: Unsere „guten“ Darmbakterien haben eine Vorliebe für Faserstoffe aus Vollkornprodukten, Obst und Gemüse. Ihre „schlechten“ Kollegen hingegen verwerten am liebsten Zucker.
  • wenig Fertigprodukte: Es gibt Hinweise darauf, dass die in Fertigprodukten enthaltenen Emulgatoren, Konservierungs- und Geschmacksstoffe die Zusammensetzung unserer Darmflora stören.
  • wenig Alkohol: Auch alkoholische Getränke fügen den „guten“ Mikroorganismen im Darm Schaden zu.
  • Joghurt und andere milchsaure Lebensmittel: Milchsäure-Bakterien (Laktobazillen) sind ein wesentlicher Bestandteil einer gesunden Darmflora. Man findet sie in Produkten wie Joghurt und Kefir sowie in fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut.
  • Präbiotika: Darunter versteht man Stoffe wie Inulin oder Pektine, die „guten“ Darmkeimen als Nahrung dienen und so deren Wachstum anregen. Gute Quellen sind Lebensmittel wie Chicorée, Schwarzwurzeln, Topinambur, Äpfel (vor allem die Schale) oder Artischocken. In der Apotheke erhalten Sie Präbiotika auch in Kapselform.
  • Probiotika: Bei Verdauungsstörungen, etwa nach einer Antibiotika-Kur, ist es oft sinnvoll eine gesunde Darmflora gezielt wieder aufzubauen. Dabei helfen sogenannte Probiotika, das sind gefriergetrocknete Bakterienkulturen. Sie erhalten diese Präparate ebenfalls in der Apotheke.
  • Regelmässige Bewegung: Wie Wissenschaftler herausgefunden haben, hält Bewegung offenbar auch die Darm-Mikroben fit, denn Sportler verfügen im Schnitt über eine gesündere Darmflora als Nicht-Sportler

Wenn Sie für eine gesunde Darmflora sorgen, fördern Sie zugleich Ihr eigenes körperliches und psychisches Wohlbefinden. Wichtig sind Geduld und Ausdauer: Verändern Sie Ihre Gewohnheiten Schritt für Schritt, um so langfristig zu einem „darmfreundlichen“ Lebensstil zu finden!